Ja, es gibt sie. Standards und Regeln. Und ja, auch diese kann man brechen. Meiner Ansicht nach sollte man aber, wenn man Standards und Grundregeln bricht, wissen dass man dies grade tut. Und wenn man dann auch noch weiß, warum man die Regel grade bricht: noch besser!
Einige der typischen Fehler, die mir oft auffallen und bei denen ich mir sicher bin, daß hier Regeln und Standards nicht bewusst gebrochen wurden sondern einfach kein Bewusstsein vorhanden ist, habe ich hier zusammengestellt. Und obwohl es eigentlich typische Anfängerfehler sind: ich kenne Sportfotografen, die diese Fehler schon seit Jahrzehnten machen ….
Weißabgleich
Ja, das Thema Weißabgleich hat es in sich. Was ist überhaupt der Weißabgleich? Jede Lichtquelle hat ein Farbe. Eine Farbe, die wir mit unseren Augen wahrnehmen. Eine Kerze zum Beispiel strahlt ein gelbliches Licht aus, ein Flutlichtscheinwerfer strahlt typischerweise in einer kalten blauen Lichtfarbe. Deine Kamera weiß nicht, ob das Licht, das sie aufnimmt, nun von einer Kerze kommt oder von einem Flutlichtmasten. Es ist zunächst Licht.
Ziel des Weißabgleichs ist es, daß das Licht auf Deinen Bildern die selbe Farbe hat, wie diese in Wirklichkeit war. Also daß die Flamme auf dem Foto des Adventskranzes gelblich abgebildet ist, der Flutlichtstrahler im Fussballstadion eher bläulich.
Wenn Du Deine Kamera auf automatischen Weißabgleich eingestellt hast, versucht diese nun zu raten errechnen, welche Farbe das Licht hat, das gerade auf ihren Sensor trifft. Verschiedene Algorithmen in der Kamerasoftware sollen ihr dabei helfen, die Lichtfarbe zu erkennen. Aber leider liegt sie auch manchmal daneben. Zum Beispiel weil Licht verschiedener Farben auf den Sensor trifft und ihr nicht klar ist, welches das Hauptlicht ist.
Beispiel Hallensport: Das Deckenlicht gibt normalerweise die Lichtstimmung (gelblich warm bis bläulich kalt) vor. Dazu kommen aber neuerdings noch LED-Werbebanden, die intensives Licht ausstrahlen. Und nicht zu unterschätzen ist der farbige Hallenboden, der ebenfalls seine Farbe abstrahlt – von unten dann halt.
Du musst nun entscheiden, ob Du die Kamera nun bei jeder Aufnahme entscheiden lässt, welche Weißabgleichseinstellungen sie dafür verwendet oder ob Du den Weißabgleich manuell einstellst – überprüfen, ob das Ergebnis passt, musst Du in jedem Fall für jedes Foto individuell bei der Nachbearbeitung.
Ich selbst fotografiere normalerweise mit automatischem Weißabgleich, die heutigen Kameras sind da schon recht gut. Oft justiere ich dann aber bei der Nachbearbeitung dann noch nach. Mein Ziel ist es, daß die Sportler mit einer natürlichen Gesichtsfarbe dargestellt werden. Und wenn in einem Bild der blaue Boden so stark ins Gesicht strahlt, dann muss ich im Weißabgleich halt die farbe blau etwas zurück nehmen.
Ein paar Beispiele:
Obiges Foto aus der Max-Schmeling-Halle in Berlin: ein problematischer Ort für Fotografen. Ich weiß nicht, warum die Kameraautomatik hier regelmässig daneben liegt: die Bilder sind viel zu grün-gelblich. Bei vielen anderen Fotografen sah ich dieses Problem aus der Halle auch schon.
Seit FRISCH AUF! Göppingen auch hinter dem Tor LED-Banden aufgestellt hat, verhaut sich meine Kamera beim Weißabgleich regelmässig. Die LED-Bande (im unteren Bildschnitt) beeinflusst den Sensor der Kamera so, daß der Spieler aussieht, als hätte er Gelbsucht:
Der wahrgewordene Albtraum für Fotografen: die Paul-Horn-Arena in Tübingen. Wände, Tribünen und der Hallenboden – alles in der wunderschönen Farbe pink! Und die Sportler bekommen alle einen schweinchenrosa Teint:
Ja, der Weißabgleich hat seine Tücken, Du kommst auf Deinem Weg zu besseren Sportfotos trotzdem nicht drum herum. Sorge dafür, daß die Gesichter Deiner Sportler eine einigermaßen natürliche Farbe haben!
Das Spielfeld kippt ????
Ein Punkt, der mir regelmässig die Nackenhaare zu Berge stehen lässt.
Es gibt hier zwei Möglichkeiten: entweder halte ich die Kamera schief oder die Halle macht einen auf „Schiefer Turm von Pisa“ und kippt nach links …. Natürlich muss es Möglichkeit zwei sein. Ich kann doch wohl noch meine Kamera grade halten!
Nein, kann ich nicht immer. Und viele andere Fotografen können dies auch nicht. Im Gegensatz zu mir scheint manche das Ergebnis aber keinesfalls zu stören. Ich kann das nicht im Ansatz nachvollziehen. Dieses Phänomen sehe ich sooooo oft und ich frage mich, ob man das als Fotograf wirklich übersehen kann oder ob es schlicht Faulheit ist, das zu korrigieren. Zwei Klicks bei der Nachbearbeitung und die Halle steht wieder grade.
Und wenn ich das nicht aus dem Bauch heraus kann, orientiere ich mich eben an den vertikalen Linien, die es in jedem Bild gibt – diese sollten, wie die beispielhaft eingezeichneten, senkrecht verlaufen.
Natürlich kann man das Ganze auch als Stilmittel einsetzen und dem Bild dadurch noch Dynamik mitgeben. Wenn man das absichtlich macht, ist nichts dagegen einzuwenden. Nur wenn jedes zweite Bild kippt, ist die kein Stilmittel sondern schlichtweg Unfähigkeit oder Faulheit.
Der Hauptprotagonist muss scharf sein
Auch wenn es oft bitter ist, wenn man ein an sich gutes Bild wegwerfen muss: das Gesicht des Hauptprotagonisten muss scharf dargestellt sein. Nicht die ihn umgebenden Sportler oder Gegenstände.
Schade. Der Schärfebereich liegt hier auf dem Arm links und der Abwehrspielerin rechts. Diese interessieren hier aber nicht – die Werferin wäre das Hauptobjekt und das Gesicht der Werferin ist unscharf. Also ein Bild für die Tonne.
Der Sportler mit seinem „Sportgerät“
Auch ein Thema, das für meinen Geschmack viel zu weit verbreitet ist: der Fotograf ich schlichtweg zu spät dran. Der Handballer oder der Speerwerfer hat schon geworfen, die Volleyballerin schon geschmettert, usw.
Auch wenn sich manchmal erst nach einem Wurf schöne Szenen ergeben und sich die Gesichter verzerren: ja, ab und zu kann man so ein Bild schon einstreuen. Wenn es aber zu viele werden entsteht schnell der Eindruck, man sei als Fotograf immer zu spät dran. Und wer will schon immer zu spät dran sein! 😉
Unterm Knie, da schneide nie
Was für die Portraitfotografie gilt, gilt auch im Sport: wir schneiden keine Gliedmaßen ab. Punkt.
Der Beitrag „Halte Dich an fotografische Standards“ ist Teil 8 der Artikelserie „10 Tipps für bessere Sportfotos„.
10 Tipps und Anregungen zum Nachdenken, Nachmachen und Diskutieren.
Ich fotografiere viel Handball, daher beziehen sich viele Beispiele auf die Sportart Handball. Die meisten Beispiele lassen sich aber problemlos auf andere Sportarten übertragen.
Auch habe ich die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen – hast Du eine Ergänzung oder eine andere Meinung? Ich freu mich auf Deinen Kommentar!